Medikamente
Diese Rubrik enthält meine Erfahrungen!
Seit November 2008 muss ich zwingend Medikamente nehmen. Ohne sie höre ich böse Stimmen und erlebe den blanken Horror in meinen Gefühlen und in meinem Körper. Die Medikamente haben mir eine neue Identität gegeben. Ich musste mich damit auseinandersetzen. Nun teile ich alle meine Erfahrungen mit dir:
Seit 1990 gibt es moderne Medikamente für die Psyche und den Schlaf. Die Nebenwirkungen halten nur fünf bis sechs Monate an, dann sind sie für immer weg. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Das hat mir Dr. S. erklärt, und es hat bisher immer gestimmt!
Hier ist mein Medikamentencocktail:
Venlaflexin: Antidepressivum
Haldol: Neuraleptikum
Invega: Neuraleptikum
Sequase: Neuraleptikum und schlaffördernd
Trittico: zum Schlafen
Melatonin: zum Schlafen.
Ich nehme noch andere Medikamente, die aber nichts mit der Psyche oder dem Schlaf zu tun haben. Ich habe bewusst nicht geschrieben, wie viele Milligramm, da die Medikamente exakt auf dich eingestellt werden müssen.
- Im Jahr 2008 verschrieb mir der Oberarzt der UPD Waldau täglich 0,5 mg Haldol. Sofort befürchtete ich, dieser Arzt wolle mich ruhigstellen. Also beobachtete ich mich und stellte drei Dinge fest:
- Die neue Identität machte mich baff und irritierte mich sehr.
- Ich hatte eine starke Nebenwirkung. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre eine Schüssel über ihn gestülpt. Doch mit der Zeit stellte ich fest: Je mehr Frieden ich mit der neuen Identität fand, desto mehr verschwand das Gefühl.
- Nach einem Monat Haldol war auch klar: Ich war keineswegs ruhig. Im Gegenteil! Vorher schlief ich sechzehn Stunden pro Tag; dank der Medikamente waren es nur noch zehn bis zwölf Stunden. Nun war ich vier bis sechs Stunden länger wach. Überrascht stellte ich fest, dass ich genug Kraft und Konzentration hatte, um am Morgen und am Nachmittag jeweils eineinhalb Stunden meinen Hobbys nachzugehen. Das befriedigte mich ungemein. Ich fand zu einer Zufriedenheit, die ich mir immer gewünscht hatte, die ich jedoch bis dahin nie erlangt hatte!
- Aller Anfang ist schwer. Ich fragte mich: "Bin ich das noch?" Will ich das annehmen? Sollte ich es annehmen?" Ich verspürte einen neuen, bodenständigen Realitätssinn ganz ohne Ängste und Zweifel. Ich war psychosefrei, was mich ungemein erleichterte. Ja, ich war vom Morgen bis zum Abend gut gelaunt und rundum zufrieden.
- Doch das gefiel mir gar nicht! Ich wusste, dass ich ein Invalider war und den armen Steuerzahlern auf der Tasche lag. Ich war zu nichts zu gebrauchen. Ich empfand mich als dumm, dick, fett, unnütz und wertlos. Ein Mensch zweiter Klasse. Da durfte man doch nicht einfach so mit sich und der Welt zufrieden sein. Außerdem fand ich es komisch, wie sehr ich mich an den Katzen erfreute, selbst wenn sie sich nur die Pfote leckten. Auch fand ich das Essen plötzlich lecker und es war ein purer Aufsteller. Ich rügte mich: "Das ist doch nur die normale Selbstverständlichkeit. Wieso machst du so ein Tamtam darum?" Ich vermisste ganz deutlich meine tiefe Nachdenklichkeit und meinen tiefen, emotionellen Gefühlen.
Während meiner Therapiestunde hat mir mein Therapeut, Herr S., Folgendes erklärt: Es gibt keine Menschen zweiter Klasse mehr, seit dem zweiten Weltkrieg. Alle Menschen sind miteinander auf Augenhöhe. Wir sprachen dann über meine Hobbys und darüber wieso ich wertvoll und wichtig bin, gerade für mein Umfeld.
Nun meinte er auch hätte ich jetzt gesunde Gefühle und Gedanken. Vorher führten mich meine Gedanken dauernd in die Traurigkeit, daher wurde ich depressiv, also krank. In diesem Zustand zweifelte ich leider auch immer an meiner Person. Er meinte dies waren jedoch kranke Gefühle. Ich hätte mich über Jahre mit der kranken Identität sehr identifiziert.
Nun sah er mich mit grossen Augen an und sagte: "Die Millionen von gesunden Menschen irren sich nicht." Viele Menschen haben einfach Freude an leckerem Essen und sind zufrieden mit sich selbst.
Und meine Katzen täte ich sehr lieben und Liebe erzeugt Freude sobald man den andern sieht. Ja, die meisten Leute seien mit ihrem Leben zufrieden, und wenn nicht würden sie etwas ändern, bis sie wieder zufrieden sind.
Ich war wirklich baff. Ich muss zugeben, dass es mir bisher noch nicht wirklich gelungen ist, mich zu ändern. Mit 19 Jahren hatte ich mich damit abgefunden.
Ich habe Herrn S. gefragt, ob alle Gesunden so seien. Er sagte, dass die meisten Menschen das immerzu so machen. Ich war wirklich positiv überrascht. Ich hatte wirklich keine Ahnung!
Zuhause habe ich mir dann noch ein paar Gedanken über unser Gespräch gemacht. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als siebenjährige das Gefühl hatte, dass die Russen mich abhören. Ich habe da gemerkt, dass ich seit dieser Psychose eine kranke Identität hatte.
Ich konnte bestätigen, dass alle Gesunden, die ich kannte, sehr lebensfroh waren und zufrieden und von sich sehr überzeugt.
Mir wurde eines bewusst. Ich hatte bis anhin das Leben verpasst. Ich war froh, endlich gute, ja gesunde Gefühle zu haben, so wie all die «Andern»!
Zu Hause genoss ich meine Katzen, das Kochen und schaute zum ersten Mal Comedians, die ich überaus lustig fand. Ich erkannte, dass ich seit sieben jährig ein düsteres Leben hatte, weshalb ich auch Comedians blöd fand.
Doch ich fand noch ein Haar in der Suppe. Denn mir wurde klar, dass ich eine relativ große Distanz zu meinen Problemen hatte. Ich hätte gern gewusst, wo denn meine tiefen Emotionen geblieben sind.
Herr S. meinte da, dies sei normal und gut so. Allen gesunden Menschen ginge es so. Ich reklamierte weiter: «Meine Gefühle sind nur noch mitteltief!» Herr S. beruhigte mich und sagte auch dies sei normal, und es sei doch gut, wenn nicht immer ein Drama stattfände.
Als ich dann zu Hause ankam, war ich erst mal total verunsichert. Ich habe mich gefragt, ob es den Gesunden wirklich so erging, wie Herr S. es darstellte, oder ob er das nur so sagte, um mich zu beruhigen.
Ich habe Herrn D. dann über diese Distanz ausgefragt. Er hat diese "gesunde Distanz" gelobt, sie sei heilbringend! Ansonsten kann es passieren, dass man aus der Fassung gerät, einen Nervenzusammenbruch erleidet oder sogar krank wird. Er hat mir erzählt, dass ihm aufgefallen ist, dass seine psychisch kranken Klienten manchmal eine Art von Tiefe in ihren Gefühlen haben, die er als ungesund empfindet. Im Übrigen freue es ihn, dass es mir seit der Klinik viel besser ginge. Ich war sprachlos…
Ich hatte nämlich ständig diese non-stop zerstörerischen, verzweifelten, tiefen Gefühle und durch das dauernd Nervenzusammenbrüche.
Mein lieber Kollege Thomy hat mir zu diesem Thema einen wirklich guten Ratschlag gegeben: Manchmal ist es ganz gut, ein wenig Abstand zu halten. So kann man mit klarem Kopf Entscheidungen treffen, auch wenn es um schwierige Themen geht oder man gerade Liebeskummer hat. Er ist der Meinung, dass bei emotionalen Entscheidungen oft das Falsche getan wird. Wenn man eine Entscheidung mit Vernunft fällt, ist das immer gut.
Ich habe das sofort verstanden und beim Nachdenken gemerkt, dass das bei mir zu 100 % stimmt. Langsam aber sicher fand ich Gefallen an meiner neuen Identität.
Wie immer betete ich zu Jesus Christus. Plötzlich kam mir beim Beten eine Erinnerung in den Kopf. Ich erkannte: Ich war immer ein fröhliches Kind und habe bis zu meinem sechsten Lebensjahr viel gesungen und war immer gut gelaunt. Ich habe nur selten geweint. Ja, ich war mit der Welt im Einklang und einfach nur fröhlich.
Im Juni 2009 wurde mir klar, dass ich mich wieder wie ein gesundes Kind fühlte – und das nur dank Jesus. Ich war wirklich von meiner gesunden Identität überzeugt. Ich dachte erleichtert: "Das ist ja großartig! Wenn ich das doch nur schon früher gewusst hätte, dass ich Medikamente nehmen soll!"
Ich habe dann irgendwann kapiert, dass ich zehn Jahre meines Lebens verpasst habe, weil ich mich geweigert habe, Medikamente zu nehmen. Innert acht Monateb war die neue Identität wirklich die Meine, also mein wahres, gesundes Selbst.
Ich bin jetzt seit vierundzwanzig Jahren in Therapie. Ich habe so einiges verarbeitet und aufgearbeitet. Manchmal kommen noch ein paar Erinnerungen aus der Vergangenheit hoch. Gut, habe ich da Hr. S., so gehe ich nie verloren. Ich habe mich dazu entschieden, mein Leben lang in Therapie zu gehen und Medikamente zu nehmen. Ich finde, der Weg der Selbsterkenntnis hört nie auf.
Wichtig ist mit anderen Patienten darüber zu sprechen, wie es ihnen ergeht mit den Medikamenten.
Übrigens! Auf meiner Homepage findest du unter "Jesus" alle wichtigen Informationen. Dort schreibe ich über Jesus Christus, so wie ich ihn erlebt habe.
